Hintergrundwissen zu den politischen Ursachen des Ärzt*Innenmangels

Hintergrundwissen zu den politischen Ursachen des Ärzt*Innenmangels(die männliche Form gilt für alle Geschlechter)

Die Schweiz spart noch immer an den Ärzteausbildungen durch Begrenzung der Studienplätze, denn 2/3 der Anwärter für ein Medizinstudium werden abgewiesen (2022 waren es z.B. 68% der Prüflinge) und entsprechende Vorstösse zu signifikant mehr Medizinstudienplätzen im Parlament wurden auch noch in den letzten Jahren abgelehnt trotz sich abzeichnendem Ärztemangel.

Früher konnten noch Mediziner*innen aus dem Ausland importiert werden, um den Mangel in der Schweiz zu auszugleichen. Aktuell haben etwa 30% der Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz ein ausländisches Diplom. https://doi.org/10.4414/saez.2023.21366

Seit die Qualitätssicherungsmassnahme zur qualitativen Zulassungsbeschränkung für Praxis-Ärzte seit 1.1.2022 in Kraft ist, welche vorschreibt, dass Ärzte aus dem Ausland zuerst drei Jahre an einer Schweizer Weiterbildungsstelle gearbeitet haben mussten, bevor sie in einer Praxis angestellt oder selbständig werden dürfen, kann die Schweiz auch nicht mehr so einfach ausgebildete Mediziner aus dem Ausland rekrutieren. Per Dringlichkeitsbeschluss hat das Parlament am 17.3.23 diese Zulassungsbeschränkung für Grundversorger ausgesetzt (Hausärzte, Pädiater und Kinderpsychiater)

https://www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2022/20220431/Schlussabstimmungstext%201%20NS%20D.pdf

Für andere Ärztegruppen wie Gynäkologie oder Psychiatrie mit grossem Bedarf gilt noch immer, dass Fachärzte aus dem Ausland zuerst drei Jahre in einer Schweizer Weiterbildungsstätte arbeiten müssen, bevor sie in die Praxis dürfen.

Auch die quantitative Zulassungsbeschränkung droht für gewisse Ärztegruppen, da die Übergangsfrist zur Begrenzung der Arztzulassungen im Kanton Zürich im Juni 2023 abläuft. Das bedeutet, dass Nachwuchsärzte nicht wissen, ob sie nach 5- bis 6jähriger Facharztausbildung noch eine Bewilligung bekommen werden, um in die Praxis zu gehen. Das macht die Karriereplanung sehr schwierig. In anderen Kantonen wurde bereits rechtlich dagegen eingeschritten. Im Kanton Zürich wird ab 1.7.2023 die Zulassung für Kardiologen, Urologen, Orthopäden und Radiologen bis 30.9.2025 eingeschränkt.

https://doi.org/10.4414/saez.2023.21498
https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2023/03/foerderung-der-medizinischen-grundversorgung-und-anpassung-der-zulassungsbeschraenkung-im-kanton-zuerich.html

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich ist völlig überlastet mit Anträgen zur Zulassung und entscheidet punkto Bewilligungen langsam und spät, extrem buchstabentreu und kompromisslos an den realen Bedingungen (z.B. Unterversorgung) vorbei. In unserer eigenen Praxis warten wir seit mindestens vier Monaten auf unproblematische Zulassungen für Fachärzte oder Praktikumsassistenten.

Daneben wurde das Spital Affoltern deutlich in den letzten Jahren redimensioniert in der stationären Grundversorgung (Chirurgie, Gynäkologie-Geburtshilfe), was einerseits die wohnortnahe stationäre Versorgung erschwert und auch die Zentrumsfunktion des Spitals für die Gesundheitsversorgung verunmöglicht. Das Spital organisierte Ärztefortbildungen und fungierte als Kontaktstelle für niederschwellige interdisziplinäre Patienten-individualisierte Lösungen. (Es ist viel einfacher nachzufragen, wenn man das Gegenüber persönlich kennt, als in einem Grossspital den übermüdeten Dienstarzt mit einer konkreten Frage anzurufen.)

Die aktuellen Krankenkassentarife für die ambulanten ärztlichen Leistungen beruhen auf den Kostenstrukturen von 1994, der Tarif wurde seit 2004 nur noch erniedrigt. Damit sank das Realeinkommen der Ärzte deutlich in den letzten 20 Jahren und ist nur durch höhere Arbeitszeiten wettzumachen, z.B. 50-Stundenwoche.
Die Tarifrevision Tardoc, welche in zähen Verhandlungen mit allen Tarifpartnern ausgehandelt wurde und die Grundversorger besser stellen sollte, wurde von Bundesrat Berset im Sommer 2022 nicht genehmigt, sondern muss noch in «neue Runden» und ist nicht vor 2025 zu erwarten.

Ennet der nahen Kantonsgrenze zum Aargau ist die Versorgung noch viel schlechter, da einerseits der Taxpunktwert für die Vergütung durch die Krankenkasse tiefer ist und andererseits eine zusätzliche Einkommensquelle des Medikamentenverkaufs entfällt. Dort lassen sich noch weniger Nachfolger nieder. Die medizinisch „unterversorgten“ Aargauer Patient*innen drängen auch auf den Züricher «Markt».

Dr. med. Eveline Breidenstein
MedVita Praxis GmbH
Ottenbacherstr. 6
8912 Obfelden

26.3.2023

So finden Sie uns

    • Ottenbacherstr. 6
    • 8912 Obfelden
  • icon
  • Terminvereinbarung

    Buchen Sie bequem online einen Termin für unsere Praxis